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04.03.2024 Die Mär vom Vorkaufsrecht im Share Deal

Dr. Christian Keilich und Anne Michaela Voigt. Fotocredits: Clifford Chance
Es ist nicht verboten zu behaupten, dass einem ein Recht zusteht, das es tatsächlich nicht gibt. Wenn das aber die Verwaltung in öffentlicher Funktion tut, dann ist das bedenklich. Selbst dann, wenn das Ziel des Vorgehens legitim ist. Der Staat hat sich zur Durchsetzung seiner Interessen an das Instrumentarium zu halten, das ihm die Rechtsordnung an die Hand gibt. Alles andere ist fatal.

Anlass für diese Feststellungen geben die jüngsten Berichte über die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts beim Verkauf einer grundstückshaltenden Gesellschaft (Share Deal) in Hamburg. Die Stadt berief sich nach Abschluss eines Share Deal-Kaufvertrags zwischen zwei Unternehmen auf ein Vorkaufsrecht und führte anschließend monatelange Verhandlungen mit den Parteien. Ergebnis: Das Grundstück der verkauften Gesellschaft im sogenannten Freudenberger Areal geht nun an die Stadt. Die Pressemitteilung der Freien Hansestadt spiegelt deren Verständnis wider, dass tatsächlich ein Vorkaufrecht bestanden habe, das man erfolgreich ausgeübt hätte. Das verwundert.

Zwar gewährt das Baugesetzbuch Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit des Vorkaufs (also vereinfacht gesagt: das Recht, in einen abgeschlossenen Kaufvertrag als Käufer einzutreten), um Zugriff auf Grundstücke zu erhalten, die für die städtebauliche Entwicklung als besonders relevant eingestuft werden. Die Stadt Hamburg wollte ein Grundstück, das für die Entwicklung des östlichen Harburger Binnenhafens wesentlich sei, unter ihre Kontrolle bringen; grundsätzlich also ein legitimes Ansinnen.

Allerdings sind sich die mit der Materie vertrauten Juristen mehrheitlich einig, dass ein gemeindliches Vorkaufsrecht nur beim Verkauf von Grundstücken selbst (Asset Deal), aber eben nicht beim Share Deal besteht. Letzteres kann auch nicht von einer Gemeinde oder einem Bundesland eigenmächtig begründet werden. Ein Vorkaufsrecht beim Verkauf einer grundstückshaltenden Gesellschaft wird ernsthaft wohl nur dann in Erwägung gezogen, wenn mit dieser Gestaltung ein Vorkaufsrecht am Grundstück umgangen werden soll und damit die Wahrnehmung der städtebaulichen Aufgaben der Gemeinde gefährdet wird. In dem Hamburger Fall ist nicht bekannt, dass es sich um eine Gestaltung zur Umgehung eines Vorkaufsrechts gehandelt hätte.

In Deutschland werden ständig immobilienhaltende Gesellschaften vollständig oder teilweise verkauft. In unserer Beratungspraxis sind diese Fälle bei großvolumigen Transaktionen inzwischen weitaus häufiger als der "normale" Asset Deal. Die Gründe für Share Deals sind vielfältig. Das können (grunderwerb)steuerliche Überlegungen sein, rechtliche Erwägungen (z.B. Vereinfachung bei Portfolio-Transaktionen) oder oft auch rein kommerzielle Motive (z.B. Aufnahme eines Joint Venture-Partners zur Risikostreuung oder aus Finanzierungzwecken). Die Umgehung eines Vorkaufsrechts gehört gemeinhin nicht zu den Beweggründen seriöser Marktteilnehmer.

Der Vorfall in Hamburg dürfte bei den Beteiligten an Immobilien-Share Deals erhebliche Unsicherheit auslösen. Die bloße Wahrnehmung eines erhöhten Risikos, dass eine Gemeinde ein tatsächlich nicht bestehendes Vorkaufsrecht "ziehen" könnte, wirkt verheerend. Welcher potenzielle Käufer oder Joint Venture-Partner wird viel Geld für Vorbereitung und Abschluss eines Kaufvertrags in die Hand nehmen, wenn er langwierige Verhandlungen mit der Kommune oder gar eine zeit- und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung und womöglich das Scheitern der Transaktion insgesamt befürchten muss? Nach unserer Erfahrung sind fehlende "deal certainty" oder ein "litigation risk" nicht nur, aber gerade für ausländische Investoren, die wesentlich zum deutschen Immobilienmarkt beitragen, rote Tücher. Schon bisher war die vor allem von übervorsichtigen Beratern geführte, eher akademische Diskussion um das Vorkaufsrecht im Share Deal ein Liebestöter für geplante Transaktionen. In einem ohnehin angespannten Marktumfeld, in dem das Transaktionsvolumen drastisch eingebrochen ist und dringend nötige Investitionen insbesondere im Bereich Wohnen ausbleiben, sind die jetzt von Hamburg ausgehenden zusätzlichen Unsicherheiten wahrlich kontraproduktiv.

Die Praxis, wissentlich ein (nicht bestehendes) Vorkaufsrecht geltend zu machen, um die Parteien eines Share Deals "weich zu kochen" und letztlich doch noch die Hand auf das Grundstück zu bekommen, zeugt – trotz womöglich legitimen städtebaulichen Zielen – von einem seltsamen Rechts- und Machtverständnis. Umso mehr, wenn dies anschließend von den kommunalen Vertretern als Erfolg gefeiert wird.

Ein Vorkaufsrecht im Share Deal kann nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden. Darüber kann man in der Tat nachdenken. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung des gemeindlichen Vorkaufsrechts ist es nicht recht verständlich, warum der Verkauf im Share Deal gegenüber dem Asset Deal privilegiert sein soll. Wollte man das ändern, müsste der Gesetzgeber aber auch sorgfältige Antworten auf schwierige Detail- und Verfahrensfragen geben – etwa, ob ein Vorkaufsrecht auch dann bestehen soll, wenn nur ein Teil der Anteile an einer Gesellschaft verkauft wird, ob die Beteiligten der Gemeinde zukünftig (wie beim Asset Deal) Mitteilung über den Abschluss und Inhalt des Share Deal-Kaufvertrags machen müssen oder ob die Gemeinde im Vorkaufsfall die Geschäftsanteile kaufen muss oder das Grundstück kaufen darf. Das Land Berlin hat verstanden, dass die Regelungskompetenz dafür beim Bund liegt, und im Jahr 2021 einen Vorschlag zur Ausweitung des Vorkaufsrechts auf Share Deals im Bundesrat eingebracht. Dieser Vorschlag wurde aber offenbar mangels ausreichender Unterstützung aus den Ländern nicht weiterverfolgt, sondern erst einmal im Giftschrank verunglückter Gesetzesvorhaben eingeschlossen. Vor diesem Hintergrund verwundert es noch einmal mehr, wenn einzelne Gemeinden sich eigenmächtig auf ein solches Vorkaufsrechte berufen.

(Autoren: Dr. Christian Keilich (Partner) und Anne Michaela Voigt (Counsel) sind Rechtsanwälte bei Clifford Chance in Frankfurt)






















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