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07.03.2024 Immobilienmarkt Prognosen: Cash is King. Der Weg zum Turnaround

2023 war für den Immobilienmarkt eine einzige Talwanderung und ein Jahr des Abwartens. Die Transaktionen lagen auf einem Rekordtief. Käufer und Verkäufer fanden oft nicht zusammen. Wie geht es nun in diesem Jahr weiter? Wann kommt die Kehrtwende? Diese und andere Fragen stellte sich der Mastertalk Real Estate #32. Unter dem Titel „Cash is King. Der Weg zum Turnaround – Trendprognosen der führenden Immobilienanalysten für 2024“ hatte Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als Vorstandsmitglied bei CoreNet Global (CNG) für Aus- und Weiterbildung zuständig, folgende Immobilienanalysten versammelt:

• Sven Carstensen, Vorstand Bulwiengesa AG
• Matthias Herzog, Director Structured Finance Ratings S&P Global Ratings
• Andreas Kühne, Sprecher Geschäftsführung Bauakademie Unternehmensgruppe.
• Die Moderation übernahm dieses Mal Sven Wingerter, Geschäftsführer beim Workplace-Spezialisten Eurocres.

Transaktionen: stabil auf niedrigerem Niveau

Matthias Herzog verschaffte den Teilnehmern einen Überblick zu gewerblichen Immobilien. In Europa sei der Markt massiv zurückgegangen, 2023 betrug das CMBS-Transaktionsvolumen weniger als eine Milliarde Euro – ein Sechs-Jahres-Tief. Diese Commercial Mortgage Backed Securities sind Wertpapiere, die durch gewerbliche Hypothekendarlehen besichert sind. Nun gebe es wieder mehr Nachfrage, und so habe die Zahl der Verkäufe/ Einkäufe zugenommen – indes in wesentlich geringerem Umfang als bis 2021. Denn nach wie vor gebe es eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren: bei Zinshöhe, Cashflows, Leerständen, Mieten und Nebenkosten.

Insgesamt sei der Markt zwar gesund. Es liegen Welten zwischen der Finanzkrise 2008 und heute. Deutlich weniger ausgefallene Darlehen müssten an den Special Servicer, also Abwickler, übergeben werden: „Die CMBS performen gut“, sagte Herzog. Trotzdem sei der Himmel voller dunkler Wolken: Denn es liefen massiv Darlehen aus. Eine Refinanzierung erfolge nur über weit höhere Zinsen, während die Werte der Objekte drastisch gesunken seien und obendrein auf eine geringere Nachfrage treffen: „Das macht es schwerer, CMBS-Darlehen zu refinanzieren, besonders bei Büros. Wir werden daher mehr Ausfälle beobachten“, so Herzog.

Refinanzierung trifft auf Probleme

Diese Gemengelage führe auch zu mehr Abstufungen bei den CMBS-Ratings. Allerdings müsse man jedes Darlehen einzeln betrachten. Pauschalurteile seien nicht möglich. Top-Immobilien erleben sogar eine steigende Nachfrage und erzielen Spitzenmieten. „Man muss also immer schauen, wie es der Eigentümer schafft, den Cashflow und Wert stabil zu halten.“

Dabei haben die Preise für Büros in Europa deutlich nachgegeben, mehr als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 bis 2009. Zudem sei der Rückgang aggressiver und schneller. Begonnen habe diese Entwicklung mit Corona und der Heimarbeit. „Die größeren Auswirkungen sind aber erst entstanden, als die Zinsen gestiegen sind und deutlich wurde, dass die Büroflächennachfrage nachhaltig zurückgeht.“ Allerdings sei die Situation in den USA wesentlich schwieriger, teilweise gebe es 80 bis 90 Prozent Wertverlust, selbst in Bestlagen Manhattans. In Deutschland rede man von ganz anderen Zahlen, fast immer einstellig.

Dennoch werden auch hierzulande die Leerstandsquoten zunehmen: Bislang heiße es: „Vermietet, aber ungenutzt“. Doch demnächst, wenn verstärkt Mietverträge auslaufen oder Mieter Konsequenzen aus der starken mobilen Arbeit oder der Wirtschaftskrise ziehen, wird es auch „unvermietet“ sein. „Das wird den Markt beeindrucken und der Leerstand wird ein Plateau erreichen und dort eine Weile verharren“, unterstreicht Herzog.

Transaktionsvolumen: Büros nur noch auf Platz 3

Dennoch nehme das Transaktionsvolumen stetig zu, indes auf drastisch geringerem Niveau. Viele haben – aufgrund des geschilderten Umfelds – mit dem Verkauf/ Kauf gezögert. Das ändere sich derzeit, gerade in Großbritannien, wo je nach Lage sogar wieder Rekordmieten erzielt werden und es insgesamt mehr Vermietung gebe. Das berühmte „Licht am Ende des Tunnels“ – es wird langsam sichtbar.

„Die Zeiten sind herausfordernd“, leitete Sven Carstensen, Vorstand bei der Bulwiengesa AG und einer der Autoren des ZIA-Frühjahrsgutachtens, seinen Part ein und blickte zunächst ebenfalls auf die Transaktionen. Diese lagen in Deutschland 2023 bei gerade einmal 23 Milliarden Euro – dem Wert von 2011. „Dabei erlebten wir im letzten Jahr ein Novum: Büros wurden von Logistik und Einzelhandel auf Platz 3 verdrängt.“ Auch Carstensen sieht hier eine extreme Unsicherheit, zumindest bezogen auf 2023: „Käufer und Verkäufer konnten sich nicht verständigen und auf einen Preis einigen. Das lag auch daran, dass der Druck bei Verkäufern nicht so groß war. Sie haben abgewartet.“ Dies werde sich in diesem Jahr ändern. Es werde mehr Insolvenzen geben, die Suche nach Liquidität nehme zu. „Wir werden Firesales erleben, Bestandsimmobilien werden losgeschlagen; auch, weil Anleihen und Darlehen auslaufen.“

All dies hat Auswirkungen auf Werte und Preise. Bei Büros gehen diese 2024 weiter nach unten; vor allem dann, wenn aus der Not heraus verkauft werden müsse und der Käufer am längeren Hebel sitze. „Allein schon diese Umstände und die damit verbundene Klarheit werde Transaktionen pushen,“ sagt Carstensen.

Daneben sieht er, dass am Bürovermietungsmarkt das Pendel wieder leicht umschlage: So hole die Deutsche Bank ihr Personal aus der Heimarbeit zurück – und habe gar nicht ausreichend Bürofläche für jeden. Zudem erlebe man seit knapp zwei Jahren Baustopps und die Einstellung geplanter Projekte, was dazu führe, dass es in zwei bis vier Jahren kaum noch Neubauten gebe: „Dann haben wir einen großen Nachfragedruck nach Neubauten“, so die Einschätzung Carstensens. Bei guten und sehr guten Objekten sei jedoch nach wie vor die Nachfrage da und die Mieten steigen – wenn diese den modernen Anforderungen der Nutzer und der Nachhaltigkeit gerecht werden. Allerdings werden pro Mitarbeiter im Durchschnitt nur noch 15 Quadratmeter angemietet, statt 20 bis 22 Quadratmeter vor einigen Jahren.

Spiegelbild der Konjunktur

Dabei sollte bei dem geringen Büroflächenumsatz eines nicht vergessen werden: Anmietung seien zumindest mittelfristig gesehen stets ein Spiegelbild der Konjunktur und Geschäftslage. „Auch ohne Heimarbeit hätten wir eine geringe Nachfrage. 2024 wird daher nicht allzu rosig werden“, betont Carstensen.

„Trotzdem steigen neben den Anforderungen auch die Spitzenmieten, was unter anderem an den Druck auf die Betriebskosten erhöht“, sagt er. Ein perfekter Übergang zu Andreas Kühne von der Bauakademie und seinem Thema „Betriebskosten“. Dieser machte die Entwicklung an einer Zahl deutlich: „In den letzten zehn Jahren haben sich die Betriebskosten verdoppelt. Sie sind stets gestiegen, seit mit dem Ukrainekrieg aber erst recht.“ Im aktuellen Neo Office Impact Report 2023 – mit Zahlen von 2022 – schlagen sie mit zehn Prozent Kostensteigerung zu Buche.

Betriebskosten: Gebäude nur für Volllast konzipiert

Demnach ist die Auslastung leicht gestiegen, liegt aber immer noch deutlich unter 2019. Erstmals gebe es einen Flächenrückgang pro Kopf und Arbeitsplatz. Dabei gebe es auch ein Paradigma: Es kommen zwar weniger Leute in die Büros. Doch die Kosten steigen trotzdem. Dies liege vor allem an der Struktur der Bürogebäude. Der Durchschnitt der deutschen Gebäude ist in die Jahre gekommen, die Bestandsobjekte sind alt. „Sie sind für Volllast konzipiert, die Gebäudetechnik ist überhaupt nicht darauf eingestellt, einzelne Flächen runterzufahren. Die können nur an oder aus“, sagt Andreas Kühne, Sprecher Geschäftsführung Bauakademie Unternehmensgruppe. Daher seien die Betriebskosten ungefähr zu 60 Prozent als Fixkosten anzusehen. Das bedeute wiederum, dass 40 Prozent optimierbar seien. Hier sei das Zusammenspiel von Vermietern, Dienstleistern und Nutzern entscheidend.

2022 lagen die Betriebs- und Instandhaltungskosten im Durchschnitt bei 6,97 Euro pro Quadratmeter, die Bandbreite reichte indes von 4 bis 11 Euro. Wenig überraschend, waren vor allem Strom und Energie mit 12 und 13 Prozent für das Anwachsen verantwortlich. Allerdings rangierte dieser Wert unter der allgemeinen Preissteigerung für Energieträger, was an vereinbarten Festpreisen und Energiesparmaßnahmen der Betreiber liege. Der größte Preistreiber – und in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht beachtet – seien die Tariflohnerhöhung gewesen, auch ausgelöst durch die staatlich verordnete Mindestlohnanhebung. Daher verwundere es nicht, dass 50 Prozent der Betriebskosten Personalkosten sind, verursacht durch Bewachung, Reinigung oder Concierge. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen.

Das Management macht den Unterschied

Dies seien aber alles Betrachtungen bezogen auf den Gesamtmarkt. Konkret sei der Einfluss der Faktoren auf ein einzelnes Gebäude immer noch höchst unterschiedlich: Preisentwicklungen gelten zwar für alle, es komme aber stets auf das Nutzerverhalten an, durch das man an einigen Stellschrauben drehen könne. Die Frage ist dann: Wie reagiert das Management auf diese Entwicklungen? Bei 21 Prozent der Objekte gebe es daher konstante Kosten, 48 Prozent liegen deutlich über Inflationsrate; 31 Prozent erleben sogar einen Rückgang. Seine Schlussworte: „Das hat etwas mit dem Management zu tun.“

Moderator Sven Wingerter vom Workplace-Spezialisten Eurocres bedankte sich bei den Rednern und bekannte: „Mich treiben eine Menge Fragen um! Woher kommt das Nein zur Refinanzierung? Und wann ändert es sich?“ Herzog von S&P dazu: „Die Banken denken sich: Wie stark sind wir bei gewerblichen Immobilien engagiert, und wie bei Büros? Daran schließt sich die Fragestellung an, wie viel Marge man brauche, damit das Risiko gedeckt ist. Daraus ergeben sich Zinskosten, die wiederum die Eigentümer oft nicht schultern wollen.“

Was wird aus Bestandshaltern?

Wingerter fragte weiter: „Im vergangenen Jahr sind etliche Projektentwickler in die Insolvenz gegangen. Wird wegen des Abschwungs und der Immobilienabwertung dieses Schicksal auch die Bestandshalter ereilen?“ Hier gab Herzog Entwarnung: „Die Projektentwickler hatten eine ganze Reihe von Problemen, die den Bestandshaltern erspart bleiben: Projektkosten und Baukosten. Da haben es Bestandshalter deutlich einfacher.“

Professor Glatte erkundigte sich, ob all die geschilderten Faktoren und Firesales bei den Banken bereits kalkuliert sind? Dazu erneut Herzog: „Insgesamt gibt es weniger Firesales im Vergleich zu vorherigen Krisen. Dies liegt auch daran, dass die Banken vermehrt Darlehen verlängern und die Refinanzierung verschieben – in der Hoffnung, dass sich die Finanzierung später besser rechnet. Darüber lassen Banken inzwischen mit sich reden.“ Zudem haben die Abwickler heute mehr Zeit und finden andere Lösungen. Positive Folge: Es wird nicht so viel auf den Markt geworfen.

Schlechte Lagen bekommen Abschläge

Wingerter fragte, ob der Markt die Entwicklungen, die auf Nutzerseite stattfinden, eingepreist habe? Erleben wir noch mehr Leerstand?“ Antwort Carstensen: „Wir haben im Durchschnitt 5,8 Prozent Leerstand, das ist noch keine Krise. Vielmehr beobachten wir eine strukturelle Veränderung, die dem Markt sogar guttun kann. Wir hatten früher eine hohe Nachfrage, die unverhältnismäßig hohe Preise produziert hat. Jetzt sind wir wieder beim Normalmaß. Schlechte Lagen bekommen Abschläge.“ Gleichzeitig hinterfragten Nutzer Bürokonzepte und es geht eindeutig hin zu hochwertigen Objekten mit Nahverkehrsanschluss, die auch den Mitarbeiteransprüchen gerecht werden. Hinzukommt: Manche Flächen werden dem Markt entzogen und tauchen später gar nicht mehr in der Leerstandsstatistik auf.

Schließlich stellte Moderator Glatte seine Abschlussfrage, mit Bezug zu einem Kommentar eines Teilnehmers: „Der Slogan der Expo Real lautet 2023 ‚Survive until 25‘. Haben wir das Jammertal nun durchschritten? Wann kommt der Boom?“ Herzog von S&P meinte: „Anhand der CMBS sehen wir den Aufschwung. Im 1. Quartal war mehr los, als im ganzen Jahr 2023.“ Für ihn ist das Jammertal abgeschlossen, aber wann der Boom komme – das wisse er auch nicht. Bulwiengesa-Vorstand Carstensen sagte hierzu: „Der Markt dürfte sich nach oben entwickeln. Doch einen Zehnjahresboom wie bis vor Kurzem werden wir kaum mehr wieder erleben.“ Die Antwort von Bauakademie-Chef Kühne war zweigeteilt: „Der Investmentmarkt war stark durch günstige Zinsen geprägt. Da befinden wir uns jetzt im normalen Fahrwasser. Allerdings wird die ESG-Regulierung die Kosten weiter in die Höhe treiben.“

Eine prall gefüllte Diskussion mit so viel Informationen, dass der Mastertalk 15 Minuten länger als üblich dauerte. „Das Thema war es wert“, so Glatte, der allen Marktteilnehmern angesichts des geschilderten „anspruchsvollen Umfeldes“ viel Erfolg wünschte.

























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